Bergwertung

Für 10.00 Uhr ist die Aufwärts-Schleusung laut Display angesetzt, doch schon 10 Minuten vorher dampfen zwei Motorboote in die Kammer und die Tore schliessen sich. Ich eile von Bord und frage den studentischen Schleusenwärter Andreas, ob wir vielleicht schnell noch hineinschlüpfen könnten. Er bejaht ausgesucht höflich und wir binden in aller Eile los. Dann beginnt der Schleusenmarathon, wobei Andreas sogar unsere Heckleinen bedient. Auf der Steuerbordseite der Kammer stehen dagegen zwei Matronen an den Vorleinen ihre Frau – ohne Handschuhe – während ihre Kerle locker entspannt an Bord rumhängen. Und nach insgesamt 11 Schleusen z.T. direkt hintereinander, wissen die beiden bestimmt, was sie geleistet haben. Zwei Kammern hinter uns setzt ‚Gas Pirate‘ zum Bergsprint an, die die Nacht auf dem Roxen vor Anker verbracht haben.

Waren wir nach den ersten Kanaltagen schon eingespielt, kommt jetzt fast Routine durch. Besonders weil die Schleusen in einer Treppe direkt ineinander übergehen und baugleich sind. Trotzdem sollte man immer aufmerksam bleiben, denn sonst geht doch noch was schief. Zweimal sind wir etwas zu früh dran, weil das Motorboot direkt neben uns achtern noch nicht fest ist. Da wird es doch schon knifflig, den Abstand beim Einfahren zu wahren. Einmal rettet uns ein Fender vor dem Zusammenstoß. Unterdessen fällt der Blick zurück zum Roxen immer tiefer. Schliesslich gewinnen wir die Berg-Wertung knapp vor ‘Gas Pirate’, verzichten jedoch auf das schicke rosa Leibchen.

Endlich auf dem neuen Niveau angekommen, schlängelt sich der Kanal erneut durch die zunächst flache Landschaft. Teils säumen sogar schmale Schilfgürtel den Kanal. Interessant ist die Tatsache, das man nördlich auf zwei ziemlich große Seen hinabblickt, die sogar durch einen Fluss verbunden sind. Offensichtlich war es für die Planer des Kanals dennoch sinnvoller, eine andere Route zu wählen. Ein wenig merkwürdig ist der Anblick jedoch: Im Vordergrund der braune Kanal – im Hintergrund die blauen Seen. Wo sich Kanal und See am nächsten kommen, verläuft der Kanal richtig an einem Hang. Das obere Ufer scheint fast natürlich zergliedert zu sein, während das untere ein gerader aufgeschütteter Wall ist.

Helene freut sich wie immer über Pferde, Schafe, Gänse und überhaupt alle Tiere am Ufer. Mittlerweile kann sie auch schon einen halben Zoo auseinander halten, kennt Namen und Geräusche und fordert oft Laute sogar ein. Generell hat sie in der letzten Woche eine unglaubliche sprachliche Entwicklung gemacht. Und auch das Hochziehen und Stehen bekommt ganz neue Dimensionen. Alles in allem, wenn man sie ausgelassen im Boot umher turnen sieht, ihre überwiegend fantastische Laune mitbekommt, scheint ihr das Bootsleben sehr zu gefallen. Dennoch ist es gut, dass dieses Leben zeitlich begrenzt ist: Mama und Papa fast uneingeschränkt zur Verfügung und zugleich die einzigen Spielkameraden. Schön, dass sie ab November einen Krippenplatz hat. Wir hoffen, die Ein-/Umgewöhnung wird für uns alle Drei nicht zu hart.

Zum Abschluss der Tagesetappe erleben wir noch eine Schleuse im Handbetrieb. In Borensberg treffen wir unser Pack wieder, ‚Atacama‘ ist da, ‚Gas Pirate‘ und auch die holländische ‚Mon Ami‘ kommen ein wenig später. Ansonsten spielt sich die übliche Bordroutine ab. Einkaufen, Spielen, Kochen, Spülen, Zu-Bett-Bringen. Gegen Abend einsetzender ausdauernder und starker Regen begrenzt leider unseren Aktionsradius ziemlich. Hoffentlich regnet es sich für morgen schon einmal leer.